Fahrtensegeln

Im SVM gibt es neben den Binnen-Seglern auch die Fahrtensegler. 

Hier geht es um mehrtägige Segelfahrten. 

Oft geht es hierbei raus aufs Meer. Planungen der Route, sowie Wind und Wetter ständig im Blick sind eine der Herausforderungen beim Segeln von Ort zu Ort.


Fahrtenwettbewerb 2023:

Südbretagne im Frühherbst 2023

Mit kleiner Crew in der Nachsaison entlang der Südbretonischen Inseln

Es ist kurz vor Sieben am Morgen noch dunkel und der abziehende Sturm bläst immer noch mit 4-5 Windstärken nahezu ungebremst über die kleine Ile D’Hoedic. Diese liegt rund 15nm vor der Bretonischen Südküste und erscheint mehr wie eine zufällige hügelige Erhebung aus dem Meer daher, denn wie ein sich trutzig dem Meer entgegenstellender Fels.  Ein wenig fühlt es sich an, wie in einem frühen John Carree Thriller, als ich die vom gelben Hafenlicht nur schummrig erleuchtete Mole um kurz vor sieben Richtung Inselbäcker eile. 

.1: Die neue Capitanerie D'Hoedic modern und nachts stimmungsvoll beleuchtet

2: Einer der wenigen Bäume im Abendlicht der Insel

Ende September ist es im äußersten Westen Frankreichs noch Nacht und nur das Licht der Hafenlaternen weist über die grob betonierte Mole Richtung Dorf. Hoedic erscheint wenig lieblich und ganz anders als die anderen südlich der bretonischen Halbinsel vorgelagerten Inseln. Hoedic ist rauer, erinnert an Schottland, Nordendland – nur wenige schmucklose Hauser drucken sich in der Inselmitte zusammen. Die wenigen Bäume wachsen nicht hoch, um den Wind, der über die kleine Insel fegt möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Als nach 5min Fußmarsch der Bäcker in Sicht gerät, wandelt sich die Stimmung in Richtung „Ferien auf Saltkrokan“, feindliche Agenten entpuppen sich dem freundlichen Gejohle nach als eine Gruppe Schüler. Diese stehen um die Morgenverpflegung für das Ferienlager auf der anderen Inselseite an. Besonders beliebt ist das Spiel, einen der Inselhunde mit einem der Wartenden zu verkuppeln, so dass dieser seinen treuen Freund den ganzen Tag nicht mehr loswird. Der Bäcker öffnet nicht um 7:00h, wie angekündigt, sondern merklich später und jetzt könnte es eng werden, denn bis 15:00h wollen wir die First 25 wieder beim Vercharterer in Trinié-sur-Mer zurückgeben.


Hoedic, ist das letzte der Ziele, das wir als Fahrtenseglergruppe des SVM in Mindestbesetzung zu Beginn des Herbstes im September 2023 in der südlichen Bretagne ansteuerten und in meinen Augen der Höhepunkt. In ihrer Schroffheit und Klarheit und reduzierten Vegetation ist kaum zu glauben, dass zwischen der lieblichen Belle-Ile und Hoedic nur 12nm liegen.

Auf Initiative von Martin Schaub, dem Reffenthäler Stützpunktleiter des SVM ergab sich die Idee neue, alternative Ziele anzusteuern. Alternative Ziele, die etwas abseits der vermeintlich bekannten Destinationen in der Ostsee, Kroatiens oder des Ijsselmeeres liegen.

Aus 5-6 Interessierten wurden dann zwei, die sich am Abend des 23. September durch die Nacht über 10 Stunden Richtung Trinié-sur-Mer aufmachten. Von Mannheim aus fährt es sich erfreulich zügig und komplikationslos in den äußersten Westen Frankreichs. In der Bretagne ist die Bootsübergabe in der Regel am Samstagmorgen ab 9:00h, die Rückgabe Freitags bis 18:ooh. Aus meiner Sicht praktisch, denn nachdem wir gegen 8:00h die Formalitäten und die Zahlung der Kaution erledigt hatten, konnten wir ab 10:00h das Schiff übernehmen und waren gegen 11:3oh bereits auf dem Wasser Richtung Sauzon unterwegs unserer erste der Stationen auf der Belle Ile. 

Den Verleiher „Alternative Sailing“ in Trinié-Sur-Mer haben wir über 1a Yachtcharter ausfindig gemacht. Für zwei Personen ein Boot zu einem akzeptablen Preis zu finden war, rund vier Wochen vor Termin, schneller erledigt als gedacht, aber die Auswahl war nicht groß. Der Vercharterer ist gut organisiert, das junge Team spricht gerne englisch. Unsere First 25 ist Baujahr 2016 und in der Tat etwas in die Jahre gekommen. Aber der Preis ist in Ordnung, ab 790,- pro Woche in der Nebensaison zuzgl. Reinigung EUR 70,00. 

3 Der Leuchtturm zum Innenhafen von Sauzon.

Die 18nm nach Sauzon legen wir am ersten Tag wir bei schönem Segelwetter in rund 6 Stunden zurück. Und wir sind nicht die ein-zigen auf dem Wasser. Es ist Regatta-wochenende, und wir passieren ein enormes Regattafeld, als wir die Baie de Quiberon queren. Der Yacht Club Quiberon veran-staltet mit der Challenge SAFRAN einen Firmencup für das französische Aerospace & Defence Unternehmen SAFRAN mit rund 800 Teilnehmern auf dem Wasser.

Der Innenhafen von Sauzon ist der Tide aus-gesetzt und fällt trocken, so dass wir im Bo-jenfeld vor dem kleinen Hafen festmachen, da unsre Frist 25 nicht trockenfallen kann. Um also an Land und an ein Abendessen zu kommen, heißt das: erst einmal das Dingi aus den Tiefen der Backkiste hervorkramen und aufpumpen und genüsslich an Land rudern. An der Boje bezahlen wir 14 EUR für die Nacht.

Es ist Nachsaison, und das Leben geht hier wieder einen etwas langsameren Gang und in der fantastischen Galetterie mit direktem Blick auf den Hafen ist auch am Samstagabend noch ein Platz zu zweit zu bekommen. 


4: Der Innenhafen beginnt in Sauzon beginnt trockenzufallen.

5 Bretonische Idylle auf der Ile de Groix

Es ist Nachsaison, und das Leben geht hier wieder einen etwas langsameren Gang und in der fantastischen Galetterie mit direktem Blick auf den Hafen ist auch am Samstagabend noch ein Platz zu zweit zu bekommen. Die Stimmung ist entspannt und es wird ausschließlich französisch gesprochen. Der Hafen macht einen guten Eindruck, allerdings sind die Duschen am Sonntag früh aus unerfindlichen Gründen noch nicht zugänglich, so dass erst mal eine Katzenwäsche genügen muss. Ohne auf die Tide Rücksicht nehmen zu müssen ist der Plan für den Sonntag 41nm Richtung Nordwesten nach Conarceau zu laufen, der Wind steht günstig. Allein mit 6 Bft verspricht die Wetterapp eine eher raue Passage.

In der Tat frischt der Wind auf und der Seegang macht der Biskaya auch an Ihrem nördlichen Ende Ehre. Wir wechseln erstes und zweites Reff, die First 25 schlägt sich wacker, bricht aber auf den Wellenkämmen zunehmend nach Luv aus. Ich kämpfe gegen Übelkeit und gebe mich insoweit gegen Nachmittag geschlagen. Positiver Nebebeffekt ist, dass damit wieder die Stimmung steigt. Den gemeinsam gefassten Plan, trotz schwerer See und Übelkeit die restlichen 18nm nach Conarceau zu Segeln begraben wir aber am Nachmittag nach Einschätzung der Lage.


Wir beschließen als Ausweichpunkt auf der Ile de Groix den Port de Tudy anzulaufen. Etwas durchgeschüttelt erwarten uns für EUR 22,00 Liegegebühr eine warme Dusche, ein netter Hafenmeister und ein schöner Platz am Schwimmer im Vorhafen. 

Die Insel ist eine echte Schönheit und könnte sofort für einen französischen Ableger einer Inspektor Barnaby oder Rosamunde Pilcher Verfilmung herhalten. Der Port de Tudy ist geschäftig und betriebsam, hier finden sich Bar, Restaurants Hotel und Kaffees. Die Insel ist auch jetzt noch in der Nachsaison beliebt. Aber es fehlen die großen Ausflugsdampfer die Tagesturisten auf der Insel abwerfen. Zwar ist der Fährbetrieb rege, aber es kommen nur kleine Gruppen und Menschen die eine Auszeit suchen an diesem Ende Frankreichs.

6 Der wundervolle Saumpfad entlang der Küste der Ile de Groix


7Design Bretonique

Bis 1940 war der Port de Tudy der größte Tunfischhafen Frankreichs und so ziert auch ein Tunfisch den Kirchturm von Bourg als Windfahne. Eine nahezu einzigartige Rarität in Europa ist der Plage des Grands Sables im Westen der Insel, der konvex ins Meer ragt. Die Insel strahlt gleichzeitig eine Abgeschiedenheit und eine lebendige Entspanntheit aus, die einen gerne zurückkehren lässt. Wer einen Hideaway und einen Platz für eine Auszeit sucht, dem sei diese Insel sehr zu empfehlen.

Nach einiger Diskussion entscheiden wir uns am folgenden Tag auf einem kurzen Schlag nach Lorient weiter zu segeln, das liegt nur rund 7nm im Norden, verspricht aber etwas Abwechslung zur Inselidylle. Weiterhin wollen wir erst gegen Mittag die Ile Groix verlassen, so dass eine kurze Passage bei nur mäßigem Wind gut in den Plan passt. Die Passage die Mündung des Scorff hinauf ist wegen des gewundenen Fahrwassers anspruchsvoll, aber am frühen Nachmittag können wir am Gastlieger des Innenstadthafens festmachen.


Die Stadt ist durch und durch modern und hat nichts mit dem architektonischen Idyll der übrigen bretonischen Städte gemein. Während der Zufahrt in die Stadt passieren wir südlich vom eigentlichen Stadtgebiet an Backbord die monströsen Bunkeranlagen, welche die deutsche Kriegsmarine ab 1940 in Lorient baute. Da die Bunkeranlagen selbst nicht durch Bombenangriffe zu zerstören waren, zerstörten die Alliierten ab 1943 die Versorgungssachsen der U-Boot Stützpunkte, die durch die Stadt führten, so dass Lorient ab 1943 bis zum Mai 1945 komplett zerstört wurde.

8 Wie ein Monster aus einer anderen Welt: der U-Boot Bunker der Kriegsmarine südlich von Lorient


Architektonisch ist von der Grandezza der Stadt, die als Sitz der französischen Ostindien Kompanie zu Wohlstand gelangte, leider nichts mehr zu sehen.

Der Besucherhafen ist sehr gut ausgestattet und mit EUR 23 pro Nacht auch vernünftig bepreist, in der Hafenmeisterei stehen vernünftige Duschen, eine Waschmaschine und sogar eine Sauna zur Verfügung. Da der Hafen in der Innenstadt mit Poton-Anlegern ausgestattet ist, kann auch hier gezeitenunabhängig angelegt werden. Die Lage des Hafens ist ruhig, jenseits irgendwelchen Trubels aber zentral. Allein die am Morgen ab 7:ooh in ¼ stündlichem Abstand anlegenden Fähren von den östlich des Scorff gelegenen Stadtteilen stären die morgendliche Ruhe von Urlaubern. 

9 Virginie und Pascal die Besitzer der Urban Art Galerie Jumble

Dennoch gelangen wir am Nachmittag per Zufall in eine Privatwohnung in der Rue des Fontaines die auch als Galerie genutzt (oder umgekehrt) in der sich der Eigen-tümer, Pascal und seine Partnerin ganz der Urban oder Street Art verschrieben haben und diese auch in Lorient promoten. Nach einer profunden Führung durch seine Wohnung sind wir viele Eindrücke reicher und fasziniert von einem ehemaligen Mit-glied der französischen Marine, der mit um die 50 beschloss, noch einem etwas komplett anderes zu tun.


Am nächsten Morgen wenden wir uns wieder Richtung Südwesten und steuern mit günstigem Wind La Palais auf Belle Ile an. Da der Innenhafen dort nur in der Zeit von 2 Stunden vor und 2 Stunden nach Hochwasser geöffnet ist, gilt es früh aufzustehen, um einen Platz im nicht trockenfallenden Innenhafen zu ergattern. Der frühe Start fällt uns wegen der 20 Meter von und im 15minutentakt anlandenden Wasserbusse nicht schwer. Tatsächlich schaffen wir die 30nm in rund 6 Stunden und laufen zum nachmittäglichen Hochwasser in die nur rund 4m breite Hafeneinfahrt des durch eine Dockschleuse von le Palais ein, die unterhalb der beeindrucken Vauban Festung liegt. Dort führt eine resolute Hafenmeisterin das Regiment und der nicht minder resolute Marinero schiebt unsere kleine Yacht mit seinem Schlauchboot so an den Steg, wie er sich das gedacht hat. Da lenkt selbst der SSS geprüfte Skipper schnell ein. 

Gegen 17:ooh schließen an diesem Tag die Schleusentore des Innehafens bis zum nächste Mittag und halten was Wasser im Becken während der Außenhafen trockenfällt. Wir haben keine zehn Meter vom Boot entfernt „unsere eigene“ Bar – das Café des matelots. Wobei wir uns dann doch gegen den Matrosen und nach einem guten Abendessen für die kleine Meer-jungfrau Le petit clapot entscheiden. Da der früheste Auslauftermin von der Schleusen-öffnung am kommenden Tag um 14:ooh begrenzt wird, bleibt genug Zeit für einen ausgedehnten Spaziergang auf der Insel am kommenden Vormittag oder für Telefonate mit den Werk-tätigen zu Hause.

10 Le Palais, ein lebhafter kleiner Ort im Schatten der mächtigen Vauban Festung


11 Wunderschöne Linien zeichnen diesen aufgegebenen Kasko in Hoedic aus

Und so brechen wir zu unserer letzten Station auf, der kleinsten Insel, der Ile d’Hoedic. Die wir nach 15nm und ruppigem Wind am frühen Abend erreichen, der Hafen liefert wunderbaren Schutz vor dem stark auffrischenden Wind der mit 5-6bt über die Insel bläst. Nach kurzem Abwarten ergattern wir sogar einen Platz am Anleger und können unsere Boje verlassen. Da in dem Hafen nur 10 Gastlieger zu finden sind, muss in der Hauptsaison immer auf die Bojen ausgewichen werden Aber laut Auskunft der reizenden Hafenmeisterin ist der Hafen das komplette Jahr offen und freut sich über Gäste. Die Nacht kostet EUR 10 für ein 25 Fuß langes Schiff.


Auf der Insel leben dauerhaft nur 120 Menschen, aber wir finden schnell Aufnahme in der etwas unor-ganisierten aber herzlichen Dorfkneipe und später der Bar Repos in der uns Jeremie Beyou mit ent-schlossenen Blick zusammen mit Sam Davies überlebensgroß in schwarz-weiß beim Essen zusieht. Zusammen mit dem guten Hotel Cardinaux ist eine gute kulinarische Versorgung gewährleistet. Wir genießen einen segelfreuen Tag auf der wundervollen Insel und machen uns am Freitag bei Anbruch der Dämmerung bzw. nach Öffnung des Bäckers wieder auf Richtung Norden nach Trinite und verlassen die schroffe Insel und ihre Agentenromantik. Die 16nm schaffen wir zum Ende nicht mehr ganz unter Segeln gegenan, so dass am Ende doch noch der Motor 1,5 h Stunden die Einfahrt nach Trinite begleitet. Um 13:00h sind wir wieder im Ausgangshafen.

Nach einer zügigen Übergabe sind wir gegen 15:00h wieder Richtung Neustadt bzw. Heidelberg unterwegs am Samstag früh wieder in heimatlichen Gefilden. Insgesamt war es eine Woche in der wir nach 10 Stunden Fahrtzeit in eine Gegend gelangten, die ein sehr vielfältiges Revier bietet und sich leichter er-schließt als manch einer vermutet. Ein vergleichbares Programm ist dann auch das Ziel für das kommende Jahr, in dem die Kanalinseln Ziel der Fahrtengruppe des SVM sein sollen. Interessenten sind herzliche willkommen.

Thomas C.F. Müller – Martin Schaub – SVM Mannheim

12 Eindrückliche Fotografien der Seglerikonen im Le Repos